Theorizing Borders

Theorizing Borders

Sprache(n)
Englisch
Einleitung

Chris Rumford beleuchtet in seinem Beitrag Grenz(ziehung)en aus theoretisch-konzeptioneller Perspektive und rückt so deren Relevanz in den Fokus der Betrachtung.

Zusammenfassung

Chris Rumford beleuchtet in seinem Artikel ,Introduction. Theorizing Borders‘ unterschiedliche Wandlungsprozesse von Grenzen und Grenzziehungen. Dies macht der Autor im Hinblick auf die Rolle politischer Grenzen, aber auch sich verändernde Beziehungen zwischen Grenzziehungen und Gesellschaft deutlich. Daraus abgeleitet ergeben sich auch sich wandelnde Wahrnehmungen von Grenzen, denen Aufmerksamkeit zuteilwerden sollte. Anhand mehrerer Beispiele wird die heutige Pluralität von Grenzen illustriert, bevor gefolgert wird, dass eine weiterführende theoretisch-konzeptionelle Auseinandersetzung hoch relevant ausfällt.

Inhalt

Der Artikel von Chris Rumford im European Journal of Social Theory aus dem Jahr 2006 als ,Introduction. Theorizing Borders‘ lässt sich im Jahr 2020 mit einem gewissen zeitlichen Abstand durchaus bereits als einer der ,Klassiker‘ der Border Studies beschreiben. Der Autor richtet darin die Aufmerksamkeit auf die sich verändernde Rolle politischer Grenzen und sich verändernder Beziehungen zwischen Grenz(ziehung)en und Gesellschaft. Globalisierung, Kosmopolitismus, Netzwerkgesellschaft, wachsende Mobilitäten und Ströme werden für ihn zu Indizien, um ein Überdenken von Grenzen als sinnvoll und notwendig anzusehen (S. 155). Indem Chris Rumford die Relevanz von Netzwerken herausstellt, wird deutlich, dass nationale Grenzen mitunter immer leichter ,übersprungen‘ werden können. Und auch wenn gesellschaftliche Umbrüche und Grenzen betrachtet werden, offenbaren sich Verschiebungen, die mit neuen Räumlichkeiten von Politiken, u.a. bspw. Post-9/11, zusammenspielen. Hier gilt es zudem zu berücksichtigen, dass Grenzen unterschiedliche Formen annehmen – keineswegs nur rein linienhaft, was z.B. mit dem Konzept der Borderlands sichtbar wird. Als weiterer Faktor ist zu reflektieren, dass sich auch unsere Wahrnehmungen von Grenzen verändern: einerseits sind sie vielfach leicht übertretbar, andererseits bestehen auch noch harte Grenzen (S. 156). De- und Rebordering spielen vor diesem Hintergrund immer wieder zusammen, womit die Pluralität von Grenzen in den Fokus der Betrachtung rückt (S. 157). Die bis dato getroffenen Aussagen werden anhand von drei Beispielen verdeutlicht:

  • Mobilität von Grenzen: Großbritannien nimmt Grenzkontrollen auch jenseits des nationalen Territoriums in Belgien und Frankreich vor, womit die Kontrolle illegaler Immigration als politische Zielsetzung veränderte Raumbezüge aufweist (S. 157-158).
  • Diffusion von Grenzen in Gesellschaften: Identitätskontrollen im Internet oder Kontrollen an Flughäfen und Bahnhöfen zeugen davon, dass Grenzen nicht nur an territorialen Außengrenzen zu finden sind, sondern sie eine Multiplizierung innerhalb des Sozialen erfahren (S. 158).
  • Grenzregulationen: Nationale Grenzen können als Arrangements gelesen werden, um Bevölkerungsteile zu managen und zu regulieren. Sie sind also nicht mehr in zentraler Weise nur als Absicherung auf militärischer Ebene einzuordnen (S. 158-159).

Vor dem Hintergrund der Beispiele leitet Chris Rumford rezente Verschiebungen und Herausforderungen ab:

  • Ein verändertes Verhältnis zwischen Territorium und Grenzen manifestiert sich darin, dass Grenzen heute multipel und gesellschaftsinhärent ausfallen. Zudem verändern sich politische Räume (bspw. supranationales Handeln), dem die Forschung stärker Rechnung tragen sollte (S. 160).
  • Veränderte Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft im Globalisierungszeitalter bedeuten differente bzw. gewachsene Freiheiten, geknüpft an eine sich wandelnde staatliche Steuerung, Stichwort Governance (162-163), wobei gleichzeitig zu beachten ist, dass changierende Grenzziehungen Relevanz erlangen. Die Vervielfältigung von Grenzen wird entscheidend (S. 164).
  • Grenzen sind keineswegs (mehr) nur eine Frage von Nationalstaaten. Sie können durch viele Akteure geschaffen, verändert und aufgehoben werden. Als Beispiele können hier der Fall der Berliner Mauer oder auch bewachte und eingehegte Wohnkomplexe dienen (S. 164).

In der Gesamtschau folgert der Autor hieraus, dass Raum auch jenseits nationaler Territorien zu denken ist, was gerade forschungsbezogen eine Konsequenz des ,spatial turn‘ in den Gesellschaftswissenschaften darstellt. Hierüber hat die Auseinandersetzungen mit Grenz(ziehung)en einen Schub erfahren. Die theoretische Reflexion – ein ,theorizing borders‘ – ist von anhaltender Relevanz, wobei das ,border thinking‘ dezidiert so ausfallen sollte, dass von Grenzen aus gedacht wird und diese nicht nur untersucht werden (S. 166-167).

Fazit

Das innovative Moment des Artikels ,Introduction. Theorizing Borders‘ liegt in der Infragestellung einer rein nationalstaatlichen Ausrichtung auf Grenzen. Indem Chris Rumford den Fokus auf rezente Umbrüche richtet, gelingt es ihm eindrücklich, die Vielfalt und die Multiplikation von Grenzen zu betonen und herauszustellen. Zur zentralen Aufgabe wird es, Grenz(ziehung)en nicht als natürlich gegeben anzusehen oder sie singulär zu betrachten. Vielmehr muss ein theoretisch-reflektiver Zugriff erfolgen, also ein ,border thinking‘, dem letztlich viele Arbeiten der Border Studies in den letzten Jahren Rechnung getragen haben und weiter tragen.

Leitung

Chris Rumford

Verfasser des Eintrags
Ansprechpartner
Erstellungsdatum
2020