Autour de la fonction sociale de la frontière
Autour de la fonction sociale de la frontière
Der europäische Gedanke der Integration ist Ausgangspunkt einer neuen Arbeitsmethodik. Dabei geht es um die Abschaffung der Grenzen, um ein “Europa mit ausradierten Grenzen”. In der Vergangenheit wurden diese Grenzen als Hindernisse und Einschränkungen mit ausschließlich negativen Aspekten wahrgenommen. Der Prozess der Grenzabschaffung erlaubt die Homogenisierung, die Integration und die Einbeziehung von zuvor voneinander getrennten und unterschiedlichen Elementen, die nunmehr Gefüge bilden, deren Kohärenz jedoch, bedingt durch die Erinnerung an eine leidvolle Geschichte, zumindest fraglich erscheint.
Die Versuchung, Grenzen abzuschaffen entspricht dem Willen, einen Mythos zu beseitigen, lässt aber dabei die Tatsache beiseite, dass die Grenze mit ihren vier Funktionen der Übersetzung, der Regulierung, der Differenzierung und der Beziehung fester Bestandteil alles in der Gesellschaft Lebenden ist. Sowohl die Wiederentdeckung seiner Landgrenzen durch Brasilien als auch die Probleme, die im Kontext der Staaten des ehemaligen Gebietes im Osten Europas auftreten, zeigen, dass jede Beziehungsfunktion nur dann aktiv, stabil und konfliktfrei gestaltet werden kann, wenn die anderen Funktionen ebenfalls erfüllt sind. Somit dient die Grenze als Messlatte für den Pluralismus, als Mittel des Widerstandes gegen das Chaos. Sie dient sowohl dazu, Ordnung als auch Unordnung « auszudrücken ».
Grenzen sind sowohl biologisch wie auch sozial begründet. Es lässt sich sagen, dass Europa heute der Kontinent der Teilungen ist, man könnte gar von einer « Maschine zur Grenzproduktion » sprechen, eine Funktion, die sich übrigens nicht allein auf Europa beschränkt hat, sondern die gleichermaßen die Praxis in Amerika, Afrika und Asien betraf.
Die Grenze abzuschaffen entspricht dem Willen, ein Ordnungssystem definitiv zu überwinden, was auf eine limnologische Theorie hinausläuft. Diese erlaubt es, anhand der unterschiedlichen Funktionen der Grenze, ihre vielfachen Auswirkungen auf betroffene Körperschaften und Räume zu beobachten. Die Grenze stellt eine strukturelle und morphologische « Invariante » dar, die durch eine « öko-bio-sozio-logische » Schnittstelle bestimmt wird, die vier Hauptfunktionen erfüllt : Übersetzung, Regulierung, Differenzierung und Beziehung.
Grenze entspricht immer der Übersetzung einer Intention, eines Willens und einer Macht. Als Übersetzung beinhaltet die Grenze eine soziale Funktion, sie übersetzt Information und ermöglicht eine territoriale Einordnung.
Als Instrument der Regulierung definiert die Grenze ein Gebiet, innerhalb dessen die Bewohner Autonomie für sich beanspruchen.
Grenze bedeutet auch Differenzierung, indem sie Unterschiede schafft, die als Instrumente der Gestaltung und der Erhaltung fungieren, da mangels Differenzierung Chaos oder sogar Krisen entstehen würden.
Schließlich ist Grenze auch Beziehung, da sie Gebiete in Verbindung bringt, die sich gegenüber stehen, sich vergleichen und sich entdecken, indem sie Austausch, Zusammenarbeit oder Opposition ermöglicht.
Die soziale Funktion der Grenze wird von der limnologischen Theorie zusammen gehalten. Diese Funktion muss von den beteiligten Staatssystemen aktualisiert werden, um nicht an Kraft zu verlieren. Brasilien stellt diesbezüglich ein recht interessantes Beispiel dar. Dieses lateinamerikanische Land hat nur die militärische Funktion seiner Grenze aktualisiert. Über einen langen Zeitraum hinweg war das Land nach Europa und nach Nordamerika ausgerichtet, die soziale Funktion war nicht klar formuliert. Doch wenn Grenzen nur eine defensive Facette haben, so ist der Austausch mit und die Beziehung zu den Nachbarländern nur schwach entwickelt. Doch scheint die neue Politik der Öffnung und der Aktualisierung dieses Chaos zu verändern. Nachdem Brasiliens Horizont ausschließlich vom Meer bestimmt war, erlaubt es sich das Land nunmehr, seinen Horizont auch in Richtung des Kontinents zu öffnen, dem er zuvor den Rücken zuwendete und versucht somit, seinen Landesgrenzen auch eine soziale Funktion zu verleihen.
Die Staaten des ehemaligen Ostblocks haben ebenfalls geraume Zeit gebraucht, um diese zuvor aufgrund zahlreicher geopolitischen Probleme im Zusammenhang mit Kriegen innerhalb ihrer Länder und an deren Grenzen stark in Vergessenheit geratenen Funktionen wieder neu zu entdecken. Davon zu sprechen, dass Grenzen « ausradiert » werden hat aus vielerlei rechtlichen Gründen keinerlei Sinn. Zunächst muss es darum gehen, die Gewalt, die durch die Grenzen erlebt wird, zu bekämpfen. Die Grenze ist keine « Narbe der Geschichte », sondern vielmehr eine « soziale und biologische Invariante », welche fester Bestandteil jeglicher menschlichen Organisationsform ist.
Die Grenze ist ein grundlegender Regulierungsmechanismus, der die Existenz gegen Gefahren, die sich aus Chaos ergeben, schützt, keinesfalls aber handelt es sich dabei um ein Hindernis oder eine Einschränkung, die sich der individuellen und kollektiven Freiheit entgegensetzt. Aus den vorgenannten Gründen ist die Grenze mit Sicherheit unverzichtbar, doch bleibt sie in einigen Fällen, in denen die Gemeinschaft ihr eine negative Rolle verleiht, eben negativ.
Oft werden Grenzen im Verständnis der Europäer als Hindernisse oder Einschränkungen wahrgenommen, die mit negativen Aspekten der Geschichte in Zusammenhang stehen. Daraus ergibt sich der Wunsch, Grenzen aufzuheben. Gleichzeitig sind Grenzen sozial und biologisch begründet. Wird eine Abgrenzung auf der Grundlage einer limnologischen Theorie zu Grunde gelegt, entspricht die Grenze einer « Invarianten », die auf vier grundlegenden Funktionen beruht: Übersetzung, Regulierung, Differenzierung und Beziehung.
Die Grenze ermöglicht eine Übersetzung von Information und eine territoriale Einordnung. Sie stellt eine Regulierung dar, welche ein Gebiet definiert, innerhalb dessen die Bewohner Autonomie für sich beanspruchen. Sie ermöglicht auch eine Differenzierung, indem sie Unterschiede schafft, die als Instrumente der Gestaltung und der Erhaltung fungieren.
Schließlich ist Grenze auch Beziehung, da sie Gebiete in Verbindung bringt, die sich gegenüber stehen, sich vergleichen und sich entdecken, indem sie Austausch, Zusammenarbeit oder Opposition ermöglicht.
Claude Raffestin