Bounded spaces in a ‘borderless world’: border studies, power, and the anatomy of territory

Bounded spaces in a ‘borderless world’: border studies, power, and the anatomy of territory

Grenzraum
Kein spezifisch räumlicher Fokus, eher auf Border Studies allgemein
Sprache(n)
Englisch
Einleitung

Anssi Paasi, Geograph mit Border-Studies-Schwerpunkt, diskutiert die Bedeutung von Grenzen und Territorialität in der heutigen Gesellschaft und die Möglichkeit, diese mit Hilfe von Theorien zu untersuchen.

Zusammenfassung

Dieser akademische Zeitschriftenartikel diskutiert die beiden größten miteinander konkurrierenden Denkschulen über die Bedeutung von Grenzen in zeitgenössischer Politik und Gesellschaft. Die eine beobachtet eine zunehmend „grenzenlose Welt“, während die andere eine neue Bedeutung und neue Zusammenhänge in der Betrachtung von Grenzen sehen. Dabei werden Grenzen nicht nur als Phänomene am Rand von Territorien wahrgenommen, sondern vielmehr überall dazwischen in gesellschaftlichen Praktiken und Diskursen verortet. Im Besonderen erklärt Paasi die Relevanz von Theorie in den Border Studies und entwickelt neue konzeptuelle Perspektiven zum Verständnis des Fortbestehens eingegrenzter territorialer Räume.

Inhalt

Dieser Artikel ist im ‘Journal of Power’ erschienen. Der Autor führte seine Untersuchungen während seiner Tätigkeit als Academy Professor an der Academy of Finland durch.

Der Artikel überprüft drei Themenbereiche bezüglich der Rolle umgrenzter Territorien: 1) die umstrittene Rolle von Theorie in den Border Studies, 2) die Rolle von Kontextualität und 3) Fortschritte hin zu einer Neudefinition der Vorstellung von „Grenzen“ (vor allem über gefestigte Einheiten hinaus).

Das Phänomen Territorium ist komplex und kann auf vier Dimensionen betrachtet werden, nämlich sozial, politisch, kulturell und kognitiv. Paasi argumentiert, dass ‘Eingegrenztheit’ und das Konzept von Territorien nicht an Bedeutung verlieren, sondern eher als ein Prozess gesehen werden können, welcher in die Produktion und Reproduktion sozialer Verhältnisse auf vielen Ebenen eigebettet ist und daher kritisch untersucht werden sollte. Allein die Popularität von grenzüberschreitenden Aktivitäten und Netzwerken zeugt von dem andauernden Ringen um bedeutungsvolle eingegrenzte Räume – während zur gleichen Zeit wohl neue geschaffen werden.

Paasi zeichnet die Entwicklung des Forschungsfeldes der Border Studies nach. In der Grenzforschung wurden Grenzen lange als empirisch-physische Einheiten angesehen. In den 1990er Jahren begann eine breitere internationale Gemeinschaft von Grenzraumforscher_innen damit, die Bedeutungen von Eingrenzungen (boundaries) zu theoretisieren, wenngleich oft innerhalb einer einzigen Disziplin. Mit den Bemühungen einer Theoretisierung der Border Studies geht die Spannung zwischen Universalismus und Partikularismus einher. Es stellt sich die Frage, ob eher allgemeine Theorien oder kontingente, kontextgebundene Interpretationen zu bevorzugen seien. In den Sozialwissenschaften wird Wissen als situationsabhängig beschrieben, sodass Paasi aufgrund der Komplexität der Kontexte von Grenzen bezweifelt, ob es überhaupt eine allgemeingültige Grenztheorie geben kann. Paasi diskutiert die verschiedenen Funktionen von Theorien in der Forschung und schlägt vor, mit Theorien als Konzeptualisierung zu arbeiten, um Abstraktionen über die Eigenschaften, Dimensionen und Beziehungen von Grenzen zu erzeugen, die Teil der Art und Weise ihrer Produktion und Reproduktion sind.

Anhand der zeitlichen Entwicklung des Diskurses über den Charakter von Grenzen zeigt Paasi auf, wie sich ein Konsens über das Neudenken von Grenzen als physische Gebiete, Regionen, Ideen von ‘Eingegrenztheit’ und häufig als Ursache von Teilungen herausgebildet hat. Grenzen, die tatsächlich schwankend sind, sind Teil von Machtdiskursen, die sich in nationalen Ideologien und materiellen Landschaften manifestieren. Dieser “Grenzen sind überall”-These folgend können Grenzen tatsächlich die Stärke nationaler Gemeinschaften fördern, da sie Teil emotionaler und technischer Kontrolllandschaften sind. Ein hier erörtertes Beispiel beleuchtet Grenzen an einem Flughafen: Dieser kann sich mitten in einem Land befinden, aber gleichzeitig auch einen Ort der Überwachung und Kontrolle darstellen, basierend auf vielfachen Arten von Grenzen und Identitäten, die von Nationalitäten bis zum weltweiten Elite-Reisenden reichen.

Paasi bestätigt eine gewisse Tendenz, dass sich Menschen territorial organisieren, was auf ihre „räumlichen Sozialisation“ zurückzuführen ist, d.h. den Prozess, durch den Individuen als Teil ihrer territorial eingegrenzten räumlichen Einheiten sozialisiert werden - und sich an deren Reproduktion beteiligen. Diese Praktik resultiert in dem, was Paasi „sozio-räumliches Bewusstsein“ nennt - ein Blickwinkel, um die Beziehung zwischen menschlichem Handeln und sozialen Strukturen bei der Produktion und Reproduktion der Bedeutung von Grenzen zu verstehen (227).

In einer abschließenden Diskussion für zukünftige Recherchen schlägt Paasi vor, dass vergleichende Border Studies danach streben sollten, Grenzen kontextabhängig in Beziehung zu Raum, Territorium, Region, Ort, Agency, Macht und sozio-ökonomischen Praktiken zu erforschen. Ebenso sollte die Geographie den Umfang von möglichen empirischen Quellen für die Untersuchung von Grenzen erweitern, ebenso wie die einzelnen oder gemeinsamen Maßstäbe, nach denen Prozesse des „Bordering“ verstanden werden können.

Fazit

Den Vorschlag einiger Forscher_innen, von dem Fokus auf eingegrenzten Räumen, d.h. Territorien, abzurücken, unterstützt Paasi nicht. Vielmehr müsse die Macht hinter der Produktion und Reproduktion von Grenzen kritisch und interdisziplinär sowie unter Einbeziehung neuer Methoden untersucht werden. Paasi argumentiert, dass der Gebrauch von Theorien eine essenzielle Rolle in den Border Studies einnimmt.

Kernaussagen

Grenzen in all ihren Ausprägungen sind Teil eines fortlaufenden Prozesses, der territoriale Macht reproduziert. Eingrenzungen (boundaries) sind immer an einen Ort geknüpft und haben sich in ihrem Kontext entwickelt, aber dieser Kontext ist oft in soziale Praktiken und Diskursen über Gesellschaften verortet. Über „Grenzregionen“ hinaus manifestieren sich Grenzen heute zunehmend in Formen sozialer (auch technologischer) Kontrolle.

Leitung

Anssi Paasi

Verfasser des Eintrags
Gerend
Jennifer
Ansprechpartner

Anssi Paasi

Fonction
Professeur de Géographie régionale, département de la géographie
Organisation
University of Oulu, Finland
Erstellungsdatum
2018
Datum
Erschienen in
Journal of Power, 01 August 2009, Vol.2(2), pp.213-234
Identifikationsnummer

DOI: 10.1080/17540290903064275

ISSN: 1754-0291

E-ISSN: 1754-0305