Interkulturelle Arbeitswelten in Luxemburg. Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt am Arbeitsplatz von Grenzgängern
Interkulturelle Arbeitswelten in Luxemburg. Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt am Arbeitsplatz von Grenzgängern
Anhand des Grenzgängerwesens in Luxemburg werden die sich ergebenden vielfältigen sprachlichen und kulturellen Konstellationen der Zusammenarbeit untersucht. Die Mehrsprachigkeit und Interkulturalität von Grenzgängern in Luxemburg wird anhand von Interviews, Interaktionsanalysen und Befragungen analysiert.
Luxemburg zählt die meisten Grenzgänger in der EU. Diese pendeln täglich aus den Nachbarländern Deutschland, Frankreich oder Belgien in das dreisprachige Land ein. Daraus ergeben sich facettenreiche sprachliche und kulturelle Konstellationen der Zusammenarbeit. Der Beitrag untersucht, wie Mehrsprachigkeit und Interkulturalität von Grenzgängern in dem Land erlebt und bewältigt werden. Die herausgearbeiteten Typologien basieren auf Interviews, Interaktionsanalysen und Befragungen.
Luxemburg zählt die meisten grenzüberschreitenden Pendler in der EU. Diese kommen überwiegend aus den Nachbarländern Frankreich, Belgien und Deutschland. Der Grund für diesen regen grenzüberschreitenden Pendlerverkehr ist der massive Ausbau des luxemburgischen Dienstleistungssektors seit den 1980er Jahren. Derzeit machen Grenzgänger fast die Hälfte der lokalen Erwerbstätigen aus. Die Autor_innen untersuchen in ihrem Beitrag anhand von drei eigenen Studien, wie „wie sprachliche oder kulturelle Ordnungen in grenzüberschreitenden Bezügen praktiziert, repräsentiert und neu hervorgebracht werden“ (S. 74). Bei den drei Studien handelt es sich um eine Post-Doc-Projekt zum Thema „Dealing with language diversity: the language ideologies of cross-border workers in Luxembourg“(2009-2011) von Julia de BRES (Studie 1), das Dissertationsprojekt “Dealing with linguistic diversity at the Workplace: the linguistic practices of cross-border workers in Luxembourg” (2009-2013) von Anne FRANZISKUS (Studie 2) und um das Dissertationsprojekt “Sozio-kulturelle Dimensionen und Raumkonstruktionen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität in der Großregion SaarLorLux“ (2008-2011) von Christian WILLE (Studie 3).
Die Autor_innen stellen fest, dass dem Grenzgängerwesen als eine zirkuläre Mobilitätsform in den Kulturwissenschaften recht wenig Beachtung geschenkt wurde, obschon es sich dabei um einen nahezu exemplarischen Untersuchungskontext für eine Vielzahl von Gegenwartsphänomenen „die Sprachen und Kulturen als ordentlich praktizierte Symbol- und Normenkomplexe (Hörning / Reuter 2004) infrage stellen“ (S. 74) handelt. Bereits in der Einführung zum Thema Sprachen und Kommunikation am Arbeitsplatz wird deutlich, dass der Sprachgebrauch in Luxemburg im Gegensatz zu anderen mehrsprachigen Ländern nicht territorial gegliedert ist, sondern funktional nach gesellschaftlichen Feldern. Diese sprachliche Segmentierung durchzieht auch den luxemburgischen Arbeitsmarkt. Die Frage, die die Autor_innen daraufhin stellen lautet: Wie begegnen die Grenzgänger der sprachlichen Vielfalt am Arbeitsplatz? Zunächst wird präzisiert, dass der Sprachgebrauch in den Unternehmen stark variiert. Die Ausrichtung der Tätigkeit, die nationale Herkunft des Unternehmens sowie die internen Sprachpolitiken prägen die Ein- / Mehrsprachigkeit im Unternehmen. Nahezu alle Befragten aus Studie 1 sind mit Mehrsprachigkeit am Arbeitsplatz konfrontiert, da der mehrsprachige Kontext Luxemburgs Auswirkungen auf die jeweiligen Tätigkeitsbereiche zeigt. Anhand der Wahrnehmung der Sprachensituation wurden zwei Sprachideologien herausgearbeitet: „die Befürworter der Ideologie gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als Problem und die Befürworter der konkurrierenden Ideologie der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit als Chance“ (S. 76). Folgende Problembereiche wurden von den Befürwortern der ersten Ideologie genannt: beschränkter Zugang zu Informationen, empfundene Ausgrenzung, niedrigere Informationsdichte in der Kommunikation und eingeschränkte Aufstiegsmöglichkeiten (diese werden im Beitrag mit Zitaten untermauert). Die Aussagen derer, die die gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit als Chance begreifen wurden wie folgt kategorisiert: Kontakt mit Menschen anderer Kulturen, Einsatz und Entfaltung von Sprachkompetenzen, kognitive Entwicklung, erweiterte Beziehungen, Freude an einem internationalen Arbeitsumfeld, sprachliche Flexibilität und Klarheit in der Kommunikation.
Anhand der Ergebnisse der Studien 1 und 2 wurden die Praktiken, die von Grenzgänger entwickelt werden, um der Mehrsprachigkeit im Beruf zu begegnen, aufgedeckt. Diese wurden auf einem Kontinuum abgebildet, das von einer minimalen Praxis bis zu einer maximalen Praxis der Mehrsprachigkeit reicht. Bei der Diskussion der kulturellen Vielfalt am Arbeitsplatz wird deutlich, dass die personelle Vielfalt in den Unternehmen in Luxemburg nicht unbedingt bedeutet, dass unterschiedliche Nationalitäten im beruflichen Alltag aufeinander treffen. Ist dies dennoch der Fall, so wird die Interkulturalität am Arbeitsplatz von Grenzgängern in Luxemburg unterschiedlich erlebt. Insbesondere die Ergebnisse von Studie 3 deuten darauf hin, „dass im Hinblick auf die Arbeitsweisen von Kollegen anderer Nationalitäten Unterschiede wahrgenommen und stereotyp kategorisiert werden“ (S. 85). Im folgenden Abschnitt werden idealtypische und kontextabhängige Strategien im Kulturkontakt herausgearbeitet.
Abschließend halten die Autor_innen fest, dass die Wahrnehmung des mehrsprachigen und multikulturellen Arbeitsumfeldes von „Ausgrenzung und Informationsverlust“ bis hin zu „Bereicherung und Entwicklungschancen“ reicht. Des Weiteren deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das subjektive Erleben dieser Aspekte vermutlich von vorangegangenen beruflichen Erfahrungen und persönlichen Kompetenzen beeinflusst wird.
Die behandelten empirischen Einblicke, geben Hinweise auf Kompetenzen, die für Grenzgänger erforderlich sind. Dazu gehört bspw. die sprachliche Vorbereitung auf die Berufstätigkeit im Großherzogtum Luxemburg. Um ein elaboriertes Kompetenzprofil und eine dazugehörige Didaktisierung zu entwickeln sind jedoch weiterführende Systematisierungen und Folgestudien notwendig. Zusätzlich wäre es sinnvoll, die institutionell-unternehmerische Seite und ihre Politiken zu beleuchten.
Christian Wille, Julia de Bres und Anne Franziskus