Policy Paper Vol. 5
Resilienz grenzüberschreitender Kooperation in Europa – Handlungsempfehlungen für deutsch-polnische und deutsch-französische Grenzräume
Grenzüberschreitende Kooperationen in Europa können je nach Lage auf mehrere Jahrzehnte an Entwicklungsschritten zurückblicken – beispielsweise für die deutsch-französischen Grenzregionen seit der Nachkriegszeit und der deutsch-französischen Aussöhnung, im deutsch-polnischen Verhältnis verstärkt seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Wiedervereinigung Deutschlands 1990. Mitunter gerät dabei aus dem Blick, wie fragil bis heute grenzüberschreitende Austauschbeziehungen ausfallen können. Die Covid-19-Pandemie hat dies ab dem Frühjahr 2020 in sehr eindrücklicher Weise mit verstärkten Grenzkontrollen und zeitweisen Grenzschließungen vor Augen geführt. Unzureichend mit den Nachbarn abgestimmt und Auswirkungen unterschätzend hat das grenzbezogene Krisenmanagement bestehende und neue Herausforderungen ins Scheinwerferlicht gerückt. In Zeiten der Polykrise wird es vor diesem Hintergrund entscheidend, auf die Pandemie zurückzublicken und danach zu fragen, wie es um die Resilienz grenzüberschreitender Kooperation bestellt ist. Im vorliegenden Policy Paper rücken die vier Autor:innen auf Grundlage empirischer Erhebungen im Rahmen eines von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung (DPWS) geförderten Forschungsvorhabens Entwicklungsperspektiven für die deutsch-französische und die deutsch-polnische Grenzregion in den Fokus. Auf der Grundlage einer Differenzierung von Resilienzfaktoren nach Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit und Transformationsfähigkeit werden unterschiedliche Handlungsempfehlungen zur Krisenfestigkeit für beide Grenzregionen abgeleitet. Die zentralen Empfehlungen umfassen vier Bereiche:
- Die Kommunikation zwischen Entscheidungsträger:innen ist zu stärken und auszubauen – und dies auf vertikaler, horizontaler und diagonaler Ebene, was divergierende Zuständigkeiten mit Blick auf grenzregionale Herausforderungen berücksichtigt. Neben formeller Kommunikation sind auch informelle Informationsflüsse von zentraler Bedeutung – und dies nicht nur in Krisenzeiten, sondern dauerhaft. Angebote für grenzüberschreitend lebende Bewohner:innen sind adaptiert auszubauen.
- Dem Aufbau einer verantwortungsvollen Zusammenarbeit auf der Grundlage von Vertrautheit, Vertrauen, politischem Willen und gegenseitiger Transparenz ist zentrale Relevanz beizumessen. Hierzu können u.a. Maßnahmen beitragen, die grenzregionssensibel etabliert werden. Der Stärkung interkultureller Kompetenzen ist ebenfalls hohe Aufmerksamkeit zu widmen.
- Schlüsselakteure müssen über Ebenen hinweg bekannt sein, ebenso die entscheidenden rahmenden Strukturen. Auf dieser Grundlage kann es gelingen, Grenzregionen gemeinsam weiterzuentwickeln. Beiträge leisten ergänzend beispielsweise der Austausch von Akteuren über Grenzen hinweg zur Stärkung des Wissenstransfers und zur Vervielfältigung guter Praktiken, ebenso die Entwicklung von Handlungsszenarien für künftige Krisenfälle, immer gepaart mit einem regelmäßigen Erproben von Abläufen für den potenziellen Krisenfall, aber auch zugunsten eines routinierten Miteinanders jenseits akuter Krisen. Eine umfangreichere finanzielle Förderung für Grenzregionen wird ebenfalls als erforderlich betrachtet.
- Anschließend an die Europäische Kommission, die Grenzregionen als living labs of European integration fasst, sind deren Potenziale für die weitere Entwicklung der EU ernst zu nehmen und mit Leben zu füllen. Chancen, die aus dem Europa offener Grenzen resultieren, gilt es, noch aktiver in der Öffentlichkeit zu verankern, um so auch potenziell aufflammenden Ressentiments vorab etwas entgegenzustellen.