Universitäten in europäischen Grenzräumen / Universités et frontières en Europe Konzepte und Praxisfelder / Concepts et pratiques
Universitäten in europäischen Grenzräumen / Universités et frontières en Europe Konzepte und Praxisfelder / Concepts et pratiques
Der Band widmet sich in zahlreichen Beiträgen aus Politik und unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen der Frage, ob eine Universität im Grenzgebiet Vorreiter im Bereich der internationalen und interkulturellen Kooperation sein kann.
Universitäten in europäischen Grenzräumen stehen durch ihre geografische Lage vor besonderen Herausforderungen, die als Chance begriffen werden können. Politische Vertreter aus den Grenzraumregionen bekunden ihren Willen zu verstärkter europäischer Integration in den Bereichen Bildung und Forschung. In der Tat erleichtert die räumliche Nähe internationale Forschungskooperationen, den Studierendenaustausch allgemein sowie die Schaffung spezieller, aufeinander abgestimmter bi- und trinationaler Studienprogramme. In Fächern wie den Wirtschafts-, Rechts-, Literatur- und Kulturwissenschaften ergeben sich zudem aus dem Standort besondere Forschungsthemen, die von Wissenschaftlern beiderseits der Grenze bearbeitet werden. Die Qualität der persönlichen Kontakte erweist sich in allen Bereichen als tragende Kraft für innovative grenzüberschreitende Programme.
Das Frankreich-Forum, Jahrbuch des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes, informiert über Ergebnisse und Perspektiven der grenzüberschreitenden wissenschaftlichen Zusammenarbeit in den verschiedenen Fakultäten der Hochschule. Es versteht sich als Forum für die Auseinandersetzung mit Themen, die für Deutsche und Franzosen gleichermaßen aktuell sind, aber aus jeweils unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Der fünfte Band des Frankreich-Forums stellt die um einige Aufsätze ergänzten und aktualisierten Ergebnisse eines vom Frankreichzentrum durchgeführten internationalen Kolloquiums zur Thematik „Universitäten in europäischen Grenzräumen“ vor.
Die Herausforderungen und Chancen von „Universitäten in europäischen Grenzräumen“ werden in neuen Themenabschnitten erst aus der Sicht von Landes-, Europa- und Universitätspolitik und dann aus dem Blickwinkel unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen beleuchtet. Die Berichte entstammen dem deutsch-französisch-luxemburgischen, dem deutsch-belgisch-niederländischen und dem deutsch-polnischen Grenzraum sowie der Euregio am Oberrhein mit ihrer Schnittstelle zur Schweiz. Dabei wird den grenzüberschreitenden Kooperationen aus historischer Perspektive nachgegangen, so beispielsweise für die Geschichtswissenschaften sowie für die Naturwissenschaften und Medizin. Die Beiträge aus den Wirtschaftswissenschaften, den Kultur- und Literaturwissenschaften und aus den Rechtswissenschaften vermitteln ihrerseits einen Eindruck davon, wie aus der Grenzraumlage einer Universität auch spezifische Forschungsinhalte generiert werden. Den Abschluss der Untersuchung bilden Statements aus der Arbeitswelt in einer Diskussionsrunde über den Nutzen einer multilingualen und grenzüberschreitenden akademischen Ausbildung. Bemerkenswert in diesem Band ist die Vielseitigkeit der Blickwinkel aus Politik, Wissenschaft und Arbeitswelt. Zahlreiche Beiträge wurden von Autorinnen und Autoren verfasst, welche die grenzüberschreitende Zusammenarbeit persönlich aktiv mitgestaltet haben.
Ergänzend zu dem thematischen Schwerpunkt „Universitäten in europäischen Grenzräumen“ enthält der Band eine Reihe von Kurzberichten, in denen sich verschiedene europäische Hochschulinstitutionen in Deutschland und anderen europäischen Ländern vorstellen, sowie eine Vielzahl von Rezensionen neu erschienener Buchpublikationen zu Frankreich, frankophonen Regionen und zu den deutsch-französischen Beziehungen.
Inhaltsverzeichnis :
Vorwort der Herausgeber
Bericht des Frankreichzentrums
Sandra Duhem: Sprungbrett für Europa: Blick in die Arbeit des Frankreichzentrums 2001-2004
Themenschwerpunkt: Universitäten in europäischen Grenzräumen
Die Problematik der Grenzraumuniversität aus landes- und europapolitischer Perspektive
Peter Müller: Interregionaler Hochschulraum SaarLorLux – Impulse zu grenzüberschreitender Forschung und Lehre
Jürgen Schreier: Grenzüberschreitende Hochschulpolitik
Christoph Helm: Die Problematik der Grenzraumuniversität aus Sicht des Landes Brandenburg
Jo Leinen: Grenzregionen als Motor der europäischen Einigung
Susanne Reichrath: Grenzüberschreitende Universitätspolitik
Christian Autexier: L’Université franco-allemande et la frontière
Jean-Paul Lehners: Coopération transfrontalière des universités dans l’espace SaarLorLux
Herbert Néry: Quelques éléments de politique universitaire en région transfrontalière
Gesine Schwan: Europäische Strukturförderung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit im europäischen Einigungsprozess: Erfahrungen der Europa-Universität Viadrina
Margret Wintermantel: Universitäten in europäischen Grenzräumen: Kritische Randlage – Avantgarde der Internationalisierung
Kooperationsstrukturen in den Geschichtswissenschaften
Rainer Hudemann: Kooperationsstrukturen in den Geschichtswissenschaften
Sylvain Schirmann: La politique franco-allemande de l’Université de Metz (à travers l’exemple des historiens)
Armin Heinen: Grenzlage als Herausforderung für die Geschichtswissenschaft: Projekte – Ideen – Probleme universitärer Kooperation in der Euregio Maas-Rhein
Gangolf Hübinger: Der intellektuelle Grenzraum Frankfurt an der Oder
Grenzüberschreitende Kaufkraftströme und regionale Raumordnungspolitik
Joachim Zentes: Grenzüberschreitende Kaufkraftströme und regionale Raumordnungspolitik
Gerd-Rainer Damm: Perspektiven der deutschen Raumordnungspolitik
Gérard Calais: Problématique de l’implantation de grandes surfaces dans les espaces frontaliers: approche lorraine
Forschungskooperation in den Naturwissenschaften
Michael Veith: Forschungskooperation in den Naturwissenschaften
Michael Veith: Über die Grenze hinweg: Deutsch-französische Ausbildungs- und Forschungskooperation am Beispiel eines interdisziplinären Graduiertenkollegs
Pierre Braunstein: La coopération bilatérale, « particule élémentaire » de la coopération européenne
Wolfgang Müller: „Dieses Institut am Leben zu erhalten und zu entwickeln“ – Impressionen zur Kooperation der Medizinischen Fakultäten Homburg/Saar und Nancy
Pierre Alexandre: Historique de la coopération entre les Facultés de Médecine de Homburg et Nancy
Irmie Bouillon und Bernhard Kramann: Beziehungen zwischen den medizinischen Fakultäten der Universitäten Nancy und Homburg – Freude und Leid
Kulturtransfer
Manfred Schmeling: Kulturtransfer
Hans-Jürgen Lüsebrink: Französisch-deutsche Kulturbeziehungen von der transnationalen zur transregionalen Ebene
Bożena Chołuj: Reproduktion oder Dekonstruktion der nationalen Stereotype beim Vergleich literarischer Texte in bikulturellen Seminaren
Vincent Meyer et Jacques Walter: Jeunesse et transmission mémorielle: Le cas des batailles sur les « Hauteurs » de Spicheren
Recht überschreitet Grenzen
Torsten Stein: Die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen an bzw. auf der Grenze – Das Projekt EUROZONE
Gerhard Wolf: Die deutsch-polnische Zusammenarbeit im Bereich von Strafrechtswissenschaft und Strafrechtspflege
Philipp Zurkinden: Extraterritoriale Anwendung des EG-Wettbewerbsrechts zwischen der Schweiz und der EU
Table ronde
Michael Veith: Diskussionsrunde über den Nutzen einer multilingualen, grenzüberschreitenden, akademischen Ausbildung
Berichte
Rezensionen
In den einunddreißig Beiträgen aus Politik und Wissenschaft wird die Hypothese verifiziert, dass Grenzuniversitäten unter besonderen standortpolitischen Bedingungen arbeiten und sich wissenschaftlich zumindest teilweise durch spezielle strukturelle und inhaltliche Schwerpunkte auszeichnen. Was dabei aus nationaler Sicht als Randlage gelten könnte, eröffnet in europäischer Perspektive oft neue Chancen.
Die politischen Vertreter, die sich während dieses internationalen Kolloquiums im November 2002 äußerten, sehen die Kooperation von Universitäten in Grenzregionen als Modell für Hochschulkooperationen auf europäischer Ebene. Die Entwicklung der Hochschullandschaft wird vor dem Hintergrund dieser Gesamtvision gesehen. Der Bologna-Prozess soll auch die Mobilität interregionalen Hochschulraum stärken. Notwendig ist jedoch immer noch eine konsequente Harmonisierung der Hochschulsysteme. Die Internationalisierung trägt zur Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit des Hochschulstandortes bei. Grenzüberschreitende Universitätspolitik zielt auch darauf ab, die Entwicklung integrierter Studiengänge besonders voranzutreiben.
Als Beispiel neuer supranationaler Beziehungen im Hochschulbereich wird die Deutsch-Französische Hochschule angeführt. Eine Sonderrolle unter den Grenzraumuniversitäten nimmt zudem die Europäische Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, an der Außengrenze der EU, ein. Kurze Zeit vor dem EU-Beitritt Polens wird diese europäische Begegnungsuniversität als Hoffnungsträger für die Entwicklung einer neuen Qualität der deutsch-polnischen Beziehungen gesehen.
Die Berichte und Analysen aus den verschiedenen Disziplinen zeigen, wie Grenzräume als “Laboratorien” für neue Ideen und Experimente in Forschung und Lehre genutzt werden. In den Geschichtswissenschaften sind die Kooperationen strukturbildend, da aufgrund der fachlichen Methoden leidvolle gemeinsame Erfahrungen wie Krieg und Verteibung als wissenschaftliche Probleme angegangen werden können und auf dieser Basis neues zwischenmenschliches Vertrauen aufgebaut werden kann. Generell stellt für die Geisteswissenschaften der Grenzraum ein privilegiertes Forschungsmilieu dar, wenn es darum geht, Kulturtransfer und Kulturkontakt zu analysieren. Auch die Beispiele aus den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften belegen, wie sich aus dem grenznahen Standort spezifische Forschungsfelder generieren lassen, die in grenzüberschreitender Zusammenarbeit erschlossen werden. An der vorgestellten Beispielen grenzüberschreitender Zusammenarbeit in den Naturwissenschaften und der Medizin verdeutlicht sich zudem, wie sehr persönliche Initiativen und Kontakte, aber auch eine gemeinsame institutionelle Geschichte wie die der Saarlanduniversität als “Tochter” der Université de Nancy zu einer nachhaltigen Kooperation beisteuern.
Die Weiterentwicklung deutsch-französischer Kooperationen und des gegenseitigen Austauschs ist nichts Selbstverständliches, sondern benötigt stetige politische und wissenschaftliche Unterstützung. Das Erlernen der Partnersprache ist notwendig, um neben dem fachlichen Austausch, der in bestimmten Disziplinen wie beispielsweise den Naturwissenschaften meist auf Englisch verläuft, auch die persönliche Ebene einzubeziehen, welche sich als tragend für die Kooperationen erweist. Die deutsch-französischen Beziehungen müssen heutzutage im europäischen Kontext gesehen und betrieben werden.
Prof. Dr. Manfred Schmeling, Prof. Dr. Michael Veith (eds.), Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes
Deutschland: Deutsch-Französische Hochschule, Saarbrücken; Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder; Landesregierung des Saarlandes: Ministerpräsident, Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft und Ministerium für Umwelt; Landesregierung Brandenburg: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur; RWTH Aachen; Universität des Saarlandes.
Belgien: Collège d’Europe, Brugge.
Frankreich: Institut d’Etudes Politiques de Strasbourg; Préfecture de Région Lorraine; Université de Metz; Université de Nancy; Université Louis Pasteur, Strasbourg.
Italien: European University Institute, Florenz; International University Institute for European Studies, Gorizia.
Luxemburg: Université du Luxembourg.
Polen: Collegium Polonicum, Slubice.
Schweiz: Universität Basel.
Europäische Institutionen: Europa-Parlament.
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