B/Ordering in der Großregion. Mobilitäten – Grenzen – Identitäten
B/Ordering in der Großregion. Mobilitäten – Grenzen – Identitäten
Anhand der Untersuchung von sozialen Praktiken der (sozial-)räumlichen Differenzierung behandelt der Autor Identitätskonstruktionen von Grenzgängern und Identitätskonstruktionen im Kontext des Grenzgängerwesens.
In dem „Beitrag B/Ordering in der Großregion. Mobilitäten – Grenzen – Identitäten“ hinterfragt Christian WILLE das in dem Leitbild für die regionalpolitische Zusammenarbeit in der Großregion prognostizierte Zugehörigkeitsgefühl der Bewohner des Vierländerecks. Der Autor untersucht, „welche Ordnungen des Eigenen/Fremden sich im Selbstverständnis der Bewohner der Großregion abzeichnen und inwiefern diese auf eine grenzüberschreitende Identität schließen lassen“ (S. 52) und arbeitet drei zentrale Merkmale von Identitätskonstruktionen heraus.
CDer Beitrag ist Teil des von Vincent GOULET und Christoph VATTER herausgegebenen Sammelbands „Champs médiatiques et frontières dans la «Grande Région» SaarLorLux et en Europe / Mediale Felder und Grenzen in der Großregion SaarLorLux und in Europa“.
Gleich zu Beginn seines Aufsatzes hinterfragt Christian WILLE das in dem Leitbild für die regionalpolitische Zusammenarbeit in der Großregion prognostizierte Zugehörigkeitsgefühl der Bewohner der Großregion. Der Autor erläutert zunächst den Identitätsbegriff, der dem Beitrag zugrunde liegt. Daran anschließend folgt eine Erklärung des Begriff „B/Ordering“. Dieser bezeichnet den Vollzug von sozialen Praktiken der (sozial-)räumlichen Differenzierung, „der Codierungen des Hier/Dort oder Eigenen/Fremden zum Ergebnis hat, die wiederum bestimmte symbolische Ordnungen der sozialen Wirklichkeit (im Sinne des Ordering) repräsentieren (Houtum, Naerssen 2002: 126).“ (S. 51 f.).
Basierend auf der Kombination einer Befragung von Grenzgängern in der Großregion und einer Repräsentativbefragung der Luxemburger Wohnbevölkerung (beide Befragungen beruhen auf einer Verknüpfung qualitativer und quantitativer Erhebungstechniken und wurden bereits in anderen Publikationen behandelt) untersucht der Autor Identitätskonstruktionen von Grenzgängern und Identitätskonstruktionen im Kontext des Grenzgängerwesens.
Nach einer kurzen Einführung zu dem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt und der besonderen Rolle Luxemburgs (Konzentration der Pendlerströme auf Luxemburg und Asymmetrie der Ströme) hinterfragt WILLE, „inwiefern sich die zirkuläre Mobilität auf räumliche Identitäten von Grenzgängern auswirkt“ (S. 53). Die Fragestellungen bilden sich aus den folgenden Teilaspekten:
- Zugehörigkeit der Grenzgänger zu unterschiedlichen räumlichen Ebenen,
- Wahrnehmung der jeweiligen Arbeitsregion als „Ausland“,
- Charakterisierung der Einwohner ihrer Wohn- und Arbeitsregion.
Zur Untersuchung der räumlichen Zugehörigkeiten wurden die insgesamt 458 Grenzgänger gebeten, ihre empfundene Zugehörigkeit zu verschiedenen räumlichen Maßstabsebenen (Weltbürger, Europa, Großregion, Arbeitsland, Wohnland, Wohnregion, Wohnort) anzugeben. Während das größte Zugehörigkeitsempfinden hinsichtlich des Wohnorts, der Wohnregion und des Wohnlandes festgestellt wurde, wurden der Großregion und der Arbeitsregion die niedrigsten Werte zugeordnet. Auf die Frage, ob die Grenzgänger die Arbeitsregion als „Ausland“ wahrnehmen, antwortet ein Großteil mit „Nein“. Dennoch erläutern die befragten Personen teils präzise, was in der Arbeitsregion anders sei als in der Wohnregion. Der Autor geht der Frage nach Selbst- und Fremdwahrnehmungen am Beispiel von Grenzgängern aus Lothringen mit Arbeitsplatz in Luxemburg nach. Diese wurden gebeten, anhand einer Skala in der sich Gegensatzpaare mit Zuschreibungen wie bspw. „verschlossen/offen“ befanden, ihre Wahrnehmungen über Lothringer und über Luxemburger darzulegen. In der Regel wurden der „eigenen“ Gruppe eher positive Eigenschaften zugeschrieben, während der „anderen“ Gruppe eher negative Eigenschaften zugeordnet wurden. Es wird demnach „trotz täglicher Grenzüberschreitung an der ‚Ordnung‘ der Bewohner der Arbeitsregion (die Anderen) einerseits und der Bewohner der Wohnregion (die Eigenen) andererseits festgehalten“ (S. 58).
Im nächsten Abschnitt folgt ein Perspektivwechsel indem nun die Luxemburger Wohnbevölkerung in Bezug auf eine mögliche grenzüberschreitende Identität befragt wird. Die Punkte Sprache, Kultur, Wirtschaft und Arbeitsmarkt werden behandelt. Mit Blick auf sozio-ökonomische Aspekte spiegeln die Ergebnisse eine relativ positive Wahrnehmung wider. Der Autor verbindet diese Haltung mit dem Ziel der Sicherung von Wohlstand. In Bezug auf sozio-kulturelle Aspekte kann allerdings eine ausschließende Haltung der Luxemburger Wohnbevölkerung vis-à-vis den Grenzgängern ausgemacht werden.
Im Rahmen der Rückanbindung der Untersuchungsergebnisse an die Theorie führt WILLE die Unhintergehbarkeit des Anderen auf drei Merkmale von Identitätskonstruktionen zurück: Der Andere als Gegenpart, Infragestellung und als Konstruktion. Die Untersuchungsergebnisse suggerieren dem Autor zufolge eine Unmöglichkeit grenzüberschreitender Identitäten. WILLE betont allerdings in der Folge, dass dies eine voreilige Schlussfolgerung wäre und plädiert für einen Ausbau des methodischen Instrumentariums um „die alltagskulturellen Prozesse des B/Ordering in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen auf einer breiten empirischen Basis zu untersuchen und die Rolle der (grenzüberschreitenden) Medien in der (Re-)Konstruktion des Anderen zu bestimmen“ (S. 63).
Christian Wille
Vincent Goulet
Christoph Vatter
ISSN: 2198-0551
E-ISSN: 2198-056X
ISBN: 978-3-86223-131-7
E-ISBN: 978-3-86223-132-4