Working Paper Vol. 24

Die Schengen-Länder berufen sich zunehmend auf den Schengener Grenzkodex, um die Binnengrenzen undurchlässiger zu machen. Das Working Paper analysiert die fortdauernde Wiedereinführung temporärer Kontrollen an den EU-Binnengrenzen zwischen 2015 und 2024 sowie die von den Schengen-Ländern hierfür angeführten Legitimierungen. Die Analyse deckt vier Phasen auf, in denen sich ein schrittweiser Wandel vollzieht: Der vor 40 Jahren etablierte Schengen-Spirit wird zunehmend von einem Border-Spirit verdrängt. Zwar bleiben offene Grenzen und Freizügigkeit zentrale Leitprinzipien der Europäischen Union, doch gewinnen nationale Grenzregime an Bedeutung und werden an wechselnde Bedrohungslagen fortlaufend angepasst. Migration, Terrorismus, Gesundheitsschutz und hybride Bedrohungen stellen dabei diskursive Ressourcen, um eine Schengen-Realität zu legitimieren, die nicht länger als Ausnahme verstanden werden kann, sondern vielmehr als eine normalisierte, sicherheitsorientierte europäische Ordnung. Diese Entwicklung ist von einer Renationalisierung der EU-Grenzpolitik, sich stetig ausweitenden Krisenrhe-torik, politischen Instrumentalisierung und einem ambivalenten Grenzmanagement gekennzeichnet.