Die Versuchung, Grenzen abzuschaffen entspricht dem Willen, einen Mythos zu beseitigen, lässt aber dabei die Tatsache beiseite, dass die Grenze mit ihren vier Funktionen der Übersetzung, der Regulierung, der Differenzierung und der Beziehung fester Bestandteil alles in der Gesellschaft Lebenden ist. Sowohl die Wiederentdeckung seiner Landgrenzen durch Brasilien als auch die Probleme, die im Kontext der Staaten des ehemaligen Gebietes im Osten Europas auftreten, zeigen, dass jede Beziehungsfunktion nur dann aktiv, stabil und konfliktfrei gestaltet werden kann, wenn die anderen Funktionen ebenfalls erfüllt sind. Somit dient die Grenze als Messlatte für den Pluralismus, als Mittel des Widerstandes gegen das Chaos. Sie dient sowohl dazu, Ordnung als auch Unordnung « auszudrücken ».
Das EUBORDERSCAPES-Project analysierte den konzeptuellen Wandel, der in den letzten Jahrzehnten in der Untersuchung von Grenzen stattgefunden hat. Das Projekt war auf die soziale Bedeutung und die Subjektivität von Staatsgrenzen fokussiert. „Objektive“ Kategorein von Staatsgrenze wurden kritisch hinterfragt. Parallel zu der Studie zu konzeptuellen Veränderungen lautete die Fragestellung: „Wie resonieren die unterschiedlichen und oft umstrittenen Konzeptualisierungen von Staatsgrenzen (bezüglich ihrer politischen, sozialen, kulturellen und symbolischen Bedeutung) in konkreten Alltagskontexten?“
Der Sammelband, nimmt eine praxistheoretische Perspektive ein. Es wird davon ausgegangen, dass „Räume und Identitäten aus sozialen Praktiken hervorgehen“ (S. 9). Anhand verschiedener Forschungen erfolgt eine Rekonstruktion medialer, institutioneller und alltagskultureller Praktiken in Grenzregionen. Luxemburg und die angrenzenden Gebiete in Belgien, Deutschland, Frankreich bilden dabei den empirischen Untersuchungskontext der einzelnen Beiträge. Analytisch wird zwischen drei miteinander verschränkten „Praktiken der Grenze“ unterschieden „(1) die Einsetzung von Grenzen als Differenzierung bzw. Selbst-/Fremdregulativ zum Außen; (2) die Überschreitung von Grenzen als affirmativer und/oder subversiver Akt mit Transformationspotential und (3) die Ausdehnung von Grenzen als ein ˈDazwischenˈ vielfältiger Relationen und Schnittmengen“ (S. 10).
In diesem Sammelband gehen die Autoren der Frage nach, wie grenzüberschreitende Regionen entstehen und was sie charakterisiert. Die Praktiken von institutionellen Akteuren und Grenzraumbewohnern in den Bereichen Arbeitsmarkt, Wirtschaft, politische Kooperation, Medien, Alltag und Kultur werden analysiert und diskutiert.
Dieses Werk fasst die Arbeiten zusammen, die im Rahmen der grenzüberschreitenden Forschungswerkstätten 2008-2009 präsentiert wurden, die von der Maison des sciences de l‘Homme der Universität Lorraine in Zusammenarbeit mit der Universität Luxemburg organisiert wurden . Die Forscher_innen aus verschiedenen Disziplinen, wie beispielsweise der Politikwissenschaften, Informations- oder Kommunikationswissenschaft, der Geschichte, der Geographie und der Soziologie kamen zusammen, um sich über die verschiedenen Ansätze zum Forschungsobjekt Grenze auszutauschen. Die Fragestellungen, die die Grundlage der empirischen Untersuchungen bilden, behandeln die Beständigkeit, Persistenz und Spuren der Grenze; Repräsentationen von Territorien und Grenzen sowie die Dynamik der transkulturellen und grenzüberschreitenden Austausche.
Die drei Hauptuntersuchungsgegenstände sind (1) die besuchten Grenzräume (politische Dispositive und soziale Wahrnehmungen), (2) mediale Konstruktion und die Informationspraktiken auf der Ebene der Großregion, und (3) die Auswirkung kultureller Veranstaltungen auf grenzüberschreitende Repräsentationen. Die verwendeten Quellen sind Biographien, Fragebögen, Befragungen und Diskursanalysen.