Internationaler Workshop “Grenzen als Border Complexities”
Über 40 Grenzforscher_innen folgten der Einladung des UniGR-Center for Border Studies an die Universität Luxemburg zu einem internationalen Workshop. Die Veranstaltung am 5. und 6. Dezember 2019 widmete sich einer noch jungen Entwicklung der Grenzforschung und bildete den Auftakt der zweijährigen Workshopreihe Border Complexities.
Ausgangspunkt der Arbeiten bildete die Feststellung, dass sich Grenzen zunehmend weniger über eindeutige Trennleistungen von nur wenigen Akteuren oder am territorialen Rand von Nationalgesellschaften bestimmen lassen. In der avancierten Grenzforschung werden sie vielmehr als Ergebnisse und Kristallisationspunkte von vielschichtigen Formationen verstanden, die aus dem Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure, Aktivitäten, Körper, Objekte und Wissen resultieren. Solche relationalen Konstellationen, von denen Effekte der Grenzstabilisierung bzw. -destabilisierung ausgehen, wurden von den Teilnehmer_innen als Border Complexities diskutiert. Ziel war es, ein gemeinsam geteiltes Verständnis der komplexeren Betrachtung und Analyse von Grenzen zu entwickeln.
Dafür führte Christian Wille (Universität Luxemburg) in zentrale analytische Trends der Grenzforschung am ersten Tag ein und arbeitete die Umrisse eines complexity shifts heraus. Chiara Brambilla (Universität Bergamo) vertiefte die Komplexitätsperspektive mit grundsätzlichen Überlegungen zum Komplexitätsbegriff sowie mit den Konzepten Borderscapes und Bordertextures. Anschließend diskutierte Anne-Laure Amilhat Szary (Université Grenoble Alpes) das Potential des Borderities-Konzepts und plädierte neben einer gesteigerten Multiperspektivität für den Einsatz von immersiven Methoden. Schließlich demonstrierte Dominik Gerst (Universität Duisburg-Essen) anhand von Analysebeispielen verschiedene Formen von Border Complexities, entwickelte geeignete analytische Prinzipien und warnte vor einem methodologischen Komplexismus in der Grenzforschung.
In den zweiten Tag führte Norbert Cyrus (Europa-Universität Viadrina) mit Betrachtungen von Staatsgrenzen als komplexe Arrangement ein und zeigte, wie Impulse aus den Komplexitätstheorien in der Grenzforschung produktiv gemacht werden können. Anschließend gab Astrid M. Fellner (Universität des Saarlandes) Einblicke in die Anwendung des Komplexitätsansatzes mit einer Analyse der US-Kanadischen Grenze, die auf der Technik des border texturing beruhte. Schließlich verdeutlichte auch Cécile Chamayou-Kuhn (Universität Lothringen) das Potential komplexitätsorientierter Grenzforschung, indem sie juristische und literaturwissenschaftliche Perspektiven am Beispiel von Migrant_innenliteratur verknüpfte und dekonstruierte.
Der Workshop leistete es, den Komplexitätsbegriff in Verbindung mit Fragen der Grenzforschung weiter auszuarbeiten, komplexitätsorientierte Konzepte in den Blick zu nehmen, methodologische Fragen zu diskutieren und sich der forschungspraktischen Anwendung der Komplexitätsperspektive zuzuwenden. Die Veranstaltung hat gezeigt, dass die Auseinandersetzung mit Border Complexities noch am Anfang steht und Fragen aufgeworfen, die es weiter zu systematisieren und zukünftig zu bearbeiten gilt.
Der Auftaktworkshop wurde finanziert aus Mitteln der Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften (Universität Luxemburg), des UniGR-Center for Border Studies (Universität Luxemburg) und der Universität der Großregion (Universität Luxemburg).
Hintergrundinformation
Die zweijährige Workshopreihe Border Complexities wird von fünf Partnern aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg mit finanzieller Unterstützung der Deutsch-Französischen Hochschule durchgeführt. Zu den Partnern zählt das UniGR-Center for Border Studies mit seinen Partneruniversitäten in Luxemburg und Lothringen, die Europa-Universitäten Flensburg und Viadrina Frankfurt (Oder) sowie die École des hautes études en sciences sociales in Paris.
Weitere Informationen auf www.bordercomplexities.org
Video
Fotos
Ansprechpartner: